Warum werden manche Dinge als zusammengehörend empfunden, manche als voneinander abgegrenzt? Warum erkennen wir eine bestimmte Form, obwohl sie nur angedeutet wird?
Das Spiel mit der Wahrnehmung zieht die Menschen schon lange in ihren Bann – und gab vor über einem Jahrhundert den Anstoß zur Gründung der Gestaltpsychologie: Verschiedene Schulen und zahlreiche kluge Köpfe wie Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka beschäftigten sich ab diesem Zeitpunkt intensiver damit und schrieben die „Gestaltgesetze“ nieder, die seitdem nichts an ihrer Gültigkeit verloren haben und heute zum 1×1 der Gestaltung gehören.
Art Director Roman Gebath über die Gestaltgesetze, ihre Anwendung und ihre Rolle im Design-Prozess.
Warum sind diese Regeln wichtig?
Als professioneller Gestalter ist es wichtig, diese Wahrnehmungsregeln zu kennen, denn sie beschreiben, wie die Welt funktioniert. Es handelt sich dabei um automatische Prozesse, die unbewusst in uns ablaufen. Sie zeigen, dass nicht alles Geschmackssache ist. Es gibt auch bei Designs ein objektives Richtig und Falsch – vor allem, wenn es um Informationsvermittlung geht.
Das heißt, es geht dabei primär um die Funktionalität?
Genau. Es sind eben pragmatische Regeln. Wer sie kennt und beachtet, ist in der Lage, ein funktionierendes Design zu entwickeln. Das heißt, im ersten Schritt steht die Funktionalität im Zentrum, im Anschluss geht es dann um die Schönheit. Das eine bedingt das andere und umgekehrt.
Sind das Gesetze, die streng befolgt werden müssen oder sind sie auch dazu da, hin und wieder gebrochen zu werden?
Natürlich handelt es sich dabei nicht um ein strenges Regelwerk. In erster Linie schafft es Klarheit und vereinfacht die Wahrnehmung. Aber nur wer diese Regeln kennt, kann sie auch brechen und sie spielerisch einsetzen. Das kann einem Design Spannung verleihen.
Es muss auch nicht immer alles berücksichtigt werden.
Wie werden sie nun richtig eingesetzt?
Viele lassen sich verwenden, um Gruppierungen zu kreieren und damit Informationen leichter erfassbar zu machen. Bei einer Visitenkarte werden beispielsweise die persönlichen Kontaktdaten und die Firmendaten optisch voneinander getrennt. Oder man hebt etwas hervor, um den Fokus darauf zu setzen. So oder so gehören die Regeln zum Handwerk eines jeden Gestalters und sind oft schon so verinnerlicht, dass wir sie unterbewusst anwenden.